Das Projekt Kuhgebundene Kälberaufzucht

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Als Kind habe ich mich gefragt, warum die Kühe von den Kälbern getrennt werden. Warum machen Landwirte das? Bzw. warum müssen sie es so machen? In der klassischen Milchviehhaltung ist es so üblich, Kuh und Kalb möglichst früh zu trennen. Möglichst früh, weil in den ersten 24h nach der Geburt noch keine feste Bindung zwischen Kuh und Kalb besteht. Und deshalb kein Trennungsschmerz entsteht. Eine frühe Trennung ist also erstmal vom Stressfaktor für die Tiere angenehmer. In der Natur, sondern sich kalbende Kühe sogar extra von der Herde ab, und lassen ihr Neugeborenes die ersten Tage abseits der Herde, weil sie es sonst mit anderen Kälbern verwechseln würden, Geruch und Stimme prägen sich erst nach ein paar Tagen ein. 

Okay, jetzt wissen wir warum sie so früh getrennt werden, aber warum werden sie denn überhaupt getrennt?

 

 

 

Früher, als Kühe noch nicht so viel Milch gegeben haben, hat man sie getrennt, um dem Kalb nur eine begrenzte Menge am Tag abzugeben und den Rest für sich und die Familie zu nutzen. Das war damals für den Menschen teils überlebenswichtig. Außerdem war das Kalb zahm, wenn man es mit der Flasche groß gezogen hatte und es würde selbst später mal eine umgängliche Milchkuh werden. Über die Jahrzehnte bekamen die Bauern immer weniger Geld für ihre Milch vom Handel. Um weiter wirtschaften zu können, wurde die Milchmenge nach oben gezüchtet, um den niedrigen Preis abzufangen. Die Trennung von Kuh und Kalb behielt man, auch aus hygienischen Gründen, bei. Die Ställe wurden über Jahrzehnte so konzipiert, das Kuh und Kalb ausnahmslos direkt getrennt werden mussten, denn Laufställe mit Spaltenböden waren im Trend. Für erwachsene Kühe eine saubere Sache, weil Kot und Urin über die Spalten im Boden abfließen konnten, ein kleines Kalb würde aber in diesen Spalten mit den kleinen Füßen stecken bleiben und sich verletzen. Wer heute kuhgebundene Kälberaufzucht etablieren möchte, müsste also einen Stall ohne Spaltenböden haben. Kuhgebundene Kälberaufzucht kostet auch mehr Platz und Zeit, weil man Kuh und Kalb in der ersten Zeit genau beobachten muss, ob das Kalb gut trinkt usw. Hinzu kommt noch, dass ein Kalb bei einer Kuh beinahe unbegrenzt Milch trinkt und man diese Kuh dann in der Zeit nicht mehr oder nur 1x am Tag melken kann, um die Milch zu verkaufen. Die meisten Bauern können sich, bei den heutigen vom Handel gemachten Milchpreisen, keinen Ammenstall, geschweige denn, die damit verbundenen Mehrarbeit leisten.

Zurück zu mir als Kind. Als Kind hatte ich keine Ahnung von Milchpreisen, wirtschaftlichen Faktoren oder ähnlichem, ich wollte einfach nur, dass sie zusammen bleiben können. Ich fand das irgendwie niedlich und schön, sie  zusammen zu beobachten und manchmal hat mein Vater auch welche zusammen gelassen, den kleinen Bullen Hoschi zum Beispiel. Er hat sich immer, wenn er genug von seiner Mutter und den anderen Kühen hatte, bei meiner Mutter im Blumenbeet schlafen gelegt. In der Hälfte der Ställe auf unserem Hof sind Spaltenböden verbaut und die anderen Stallabteile haben Boxen, die für große Rinder (unsere Nachzucht) ausgelegt sind, mit kleinen Kälbern drinnen, hätten wir also nach kurzer Zeit viele Kälber im Garten oder noch schlimmer, auf der Straße, da sie überall durch schlüpfen können.

Ihr merkt schon es ist alles relativ komplex und schwierig umzusetzen. Nichts desto trotz haben wir  einen Versuch gewagt. Warum? Bei 98% der Kühe klappt das gut mit der frühen Trennung ohne Trennungsstress! Es gibt aber 2%, die anders ticken, bei denen das mit der Bindung schneller geht. Und um die geht es bei unserem Projekt. Nicht jede Kuh ist eine gute Mutter, andere um so mehr. Und nicht jedes Kalb ist intelligent genug, am Euter zu trinken. Klingt komisch, aber so ist die Natur. Manchmal hat man auch mal einen Dummkopf dabei. Aber einige sollen gerne zusammen bleiben.

 

Diesen guten Kuhmüttern, möchte ich gerne die Chance geben, ihren Nachwuchs selbst groß zu ziehen. Es hat sich auf unserem Betrieb gezeigt, dass die Kälber sich bei den Ammen/Müttern besser entwickeln, schneller das Verhalten in der Herde lernen und schneller Raufutter wie Heu fressen. Sie waren auch nicht unbedingt scheuer, als die Artgenossen, die wir mit der Flasche aufgezogen haben. Aber es ist auch im wahrsten Sinne des Wortes schwierig, sie im Zaun zu halten. Sie sind kleine Ausbruchkünstler. Die Arbeit mit den Kälbern verändert sich, du verbringst deine Zeit mit beobachten und Zaun reparieren anstatt mit Milcheimer schleppen. Der Anblick von Kuh und Kalb zusammen, macht mich heute noch so glücklich wie als Kind, es ist einfach schön anzusehen, doch als Erwachsene hat man natürlich auch die Finanzen im Kopf, die oftmals einen Strich durch die Romantik machen. 

 

 

Wir haben uns dennoch entschlossen einige Kälber mit einigen Kühen zusammen zu lassen. Das geht aber momentan nur von April - November auf der Weide, da im Winter (noch nicht) genug Platz für eine solche Aufzucht im Stall ist. Unsere Ställe sind eben 1981 und 2001 damals leider nicht dafür konzipiert worden. Nichts desto trotz wurden z.B. im Sommer 2021 schon 12 Kälber von 4 Kühen anstatt von uns groß gezogen. Sie entwickelten sich prächtig, lernten schneller das Sozialverhalten in der Herde und armten die alten beim fressen nach. Sie sind robuster und wachsen schneller, da sie unbegrenzt Milch zur Verfügung haben. Sie sahen glücklich aus. Auch im Sommer 2022 sind 6 Kälber bei den Kühen geblieben.

Wir hatten von diesen Kühen in dieser Zeit keine Milch, die wir verkaufen konnten.

 

Ein Rechenbeispiel von 2021:

Eine Kuh gibt z.B. 25 l Milch/Kuh/Tag x 4 Kühe= 100l/Tag     100l/Tag x 150Tage* = 15.000l Milch      15.000l × 0,40 €**/Liter = 6.000€ Umsatz, die für die Milch der Kälber "verloren" gehen, dann kommen da aber noch Futter, Wasser und Wiesenpachtkosten hinzu, also nochmal grob ca. 1400€. Ca. 7.400€ für 12 glückliche Kälbchen = 616€ pro Kalb. Hinzu kommt noch der teurere Zaun für die Kälberkoppel und die Zeit fürs Kälber einfangen und beobachten. Die Aufzucht mit der klassischen Nuckelflasche/Eimer/Tränkeautomat in der Zeit würde 400-550€/Kalb kosten (Stand 2021)

Kein Wunder, dass so viele Landwirte das nicht machen können, selbst wenn sie wollten. Die klassische Aufzucht ist wirtschaftlicher. Bei uns geht das auch nur, weil ihr mit dem Kauf unserer Milch aus der Milchtankstelle, automatisch unser Projekt unterstützt. Sollten sehr viele Leute die Tankstelle nutzen, so schaffen wir es vielleicht sogar, irgendwann einen kleinen Stall für Ammen und Kälber zu bauen, der es ermöglicht, das auch die im Winter geborenen Kälber bei den Müttern/Kühen bleiben können. Es ist auf jeden Fall eine Augenweide die kleinen mit den Kühen toben zu sehen und macht mich als Landwirtin sehr glücklich. 

 

*150 Tage lang geht im Schnitt die Tränkeperiode eines Kalbes. 

**diesen Milchpreis bekäme ein Milchbauer ca. im Schnitt im Jahr 2022/Liter von der großen Meierei

 

 

 

 

Folgendes zu dem Thema muss ich als Landwirtin noch los werden

Diese Art der Kälberhaltung ist eigentlich unrentabel. Das heißt ich verliere Geld bzw. verdiene nichts, wenn man kein Geld verdient, kann der Job noch so viel Spaß machen und einem noch so viele Glücksmomente schenken, niemand würde es auf Dauer weiter machen. Diese Art der Kälberhaltung funktioniert nur mit eurer Unterstützung, wenn ihr eure Milch an unserer Milchtankstelle anstatt im Supermarkt holt. Ich führe diesen Hof hier nicht alleine und muss auch in den eigenen Reihen immer wieder meine Leute aufs neue davon überzeugen, dass das sinnvoll ist mit der kuhgebundenen Kälberaufzucht. Spät abends zum Beispiel, wenn die Kälber mal wieder von der Weide abgehauen sind und mein Mitarbeiter Überstunden machen muss, um sie einzufangen, obwohl er was anderes vor hatte. Schlaflose Nächte, weil die Kälber abgehauen sind und die Ammen nach ihnen rufen. Das ständige Zaun frei schneiden, damit er den Strom hält und die Kälber eben nicht abhauen. Das besänftigen der Nachbarn, wenn sie den Garten zertrampelt haben. Das hin und her hüten und Kühe sortieren im Stall, weil zu wenig Platz ist oder das zufüttern auf der Weide bei Dürre. Die Zeit für die Werbung, die ich dafür mache. Die Nerven fürs rechtfertigen, weil alle im Fernsehen behaupten, die Trennung sei so schlimm und alle wollen, das Kuh und Kalb zusammen bleiben, aber trotzdem steigt der Umsatz in der Milchtankstelle nicht genug. Kaum einer informiert sich wirklich mal über dieses Thema und was es bedeutet. Das ist alles nicht so einfach und kostet viel Kraft, aber ich möchte das mit euch zusammen schaffen. Momentan gehe ich in Vorkasse, ich und mein Vater tragen das ganze Risiko. Ich kenne keinen anderen klassischen Milchviehbetrieb, der das so macht. Ewig können wir es so, wie es momentan läuft, nicht stemmen. Es müssen sich auf kurz oder lang mehr Leute finden, die ihre Milch an unserer Milchtankstelle kaufen. Wenn du uns unterstützen möchtest, dann sag das gerne weiter.

Deine Landwirtin des Vertrauens.

Hendrikje


Das Projekt Blühwall

Im Jahr 2020 hatten wir Erdarbeiten an unseren Futtersilos. Nebenbei wurde der Erdwall, neben dem Maissilo begradigt. Erdwälle braucht man, damit die Silowände ein Gegengewicht haben, wenn das schwere Futter von der anderen Seite gegen den Beton drückt. Wir haben uns überlegt, dass auf diesem Wall ja auch mal was anderes als Gras und Brennesseln wachsen könnte. 

 

Der Plan, ein Blühwall für Insekten und allgemein für die Artenvielfalt. Daneben entstand das Gewächshaus/der Folientunnel. 

Wir pflanzten Flieder, Sommerflieder, Rosen, Klatschmohn, Frühblüher wie Tulpen und Narzissen, Winterjasmin und vieles mehr.